10.000 Menschen in Deutschland warten dringend auf ein Spenderorgan, aber immer weniger Bürger sind bereit, nach dem Tod ihr Herz, ihre Leber oder ihre Nieren zu spenden. Die Zahl der Organspender ist so tief wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr und jeden dritten Tag stirbt ein Mensch, weil andere Menschen nicht als Organspender zur Verfügung stehen. Im vergangenen Jahr waren nur magere 797 Menschen bereit, ihre Organe zu spenden und nach Ansicht der Deutschen Stiftung Organtransplantation ist die Lage mehr als dramatisch. Aber warum wollen die Deutschen eigentlich nicht spenden?
Ein Skandal, der nachhallt
2012 kam es zu einem Skandal, dessen Folgen noch heute spürbar sind. Damals hatten Mediziner an ihren Kliniken Patienten auf dem Papier kränker gemacht, um sie auf den Wartelisten für eine Transplantation weiter nach oben zu bringen. Als „Dankeschön“ für diese bevorzugte Behandlung bekamen die Ärzte Geld, unter anderem an der Universitätsklinik Göttingen, in Leipzig sowie in Regensburg und München. Sie nahmen damit sehr bewusst den Tod von anderen Menschen in Kauf, die ein Anrecht auf ein Organ gehabt hätten, aber es durch die Schummeleien nicht bekommen haben. Viele empfanden nicht nur den Handel mit Organen als verwerflich, bis heute ist auch unverständlich, dass einige Ärzte später von einem Gericht freigesprochen wurden. Dieser Skandal hat der Organspende einen riesigen Schaden zugeführt, denn mit dem Bekanntwerden der Machenschaften an einigen deutschen Kliniken sank die Zahl der Organspender drastisch.
Viele wollen einen Spenderausweis
Auch wenn in den Familien oder im Freundeskreis heute deutlich offener über das Thema Organspende gesprochen wird, die Zahl der Spender bleibt klein. Seltsamerweise nimmt die Zahl der Spenderausweise stetig zu, was aber in Deutschland fehlt, ist eine gesetzliche Regelung wie zum Beispiel in Spanien. Dort können alle Organspender nicht nur aktiv zustimmen, sondern auch ebenso aktiv widersprechen. Dass die Spanier in Europa führend sind, wenn es um die Organspende geht, ist deshalb nicht weiter verwunderlich. Anders als in Spanien gibt es in Deutschland keine gelebte Kultur der Organspende. 1200 Kliniken gibt es in Deutschland, die zum System der Organspende gehören. An 700 dieser Kliniken hat sich die Deutsche Stiftung Organtransplantation, kurz DSO, im vergangenen Jahr nicht einmal gemeldet.
Sehr strenge Auflagen
Dass sich so viele Kliniken nicht bei der DSO melden, kann nichts damit zu tun haben, dass die Zahl der schweren Hirnschädigungen drastisch zurückgegangen ist. Die modernen Rettungsmaßnahmen haben zwar für bessere Zahlen gesorgt, aber immer noch müssen vor allem viele Unfallopfer aufgrund schwerer Hirnschäden für tot erklärt werden. Im Zusammenhang mit der Organspende gibt es für die Hirntoddiagnostik sehr strenge Auflagen. Zwar darf mit der Organspende kein Geld verdient werden, aber ein Patient, der hirntot ist, ist aus rein ökologischer Sicht ein Gewinn für jede Intensivstation. Für die jeweilige Klinik kann es sehr schnell zu Problemen führen, wenn es um die Zahlen geht. Zwar gibt es für Krankenhäuser eine Aufwandsentschädigung bei Organspenden, aber diese ist oft so gering, dass die Klinik die Kosten nicht decken kann. Eine Motivation für Kliniken zum Thema Organspende sieht anders aus.
Sind die Ärzte schuld?
Aus Sicht der DSO gibt es aber noch mehr Gründe, warum es in Deutschland mit der Organspende nicht so gut klappt. Die sogenannten Transplantationsbeauftragten haben kaum noch Zeit, ihren Job vernünftig zu machen. Vielfach fehlt es auch an der nötigen Anerkennung für ihre oftmals sehr anstrengende Arbeit. Es geht immer um den einen Augenblick, bevor die Ärzte die Familie eines hirntoten Patienten um Erlaubnis bitten, die lebensnotwendigen Maschinen auszuschalten. In diesem Augenblick müssen die Ärzte an die Organspende denken und diese Möglichkeit auch ansprechen, aber das ist nicht immer der Fall. Allein im größten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen sprechen Ärzte und Transplantationsbeauftragte in weniger als 15 Prozent die Angehörigen überhaupt an.
Das Problem Patientenverfügung
Anzunehmen, dass derjenige, der eine Patientenverfügung hat, auch automatisch zum Organspender wird, ist leider ein Irrtum. Alle, die laut ihrer Patientenverfügung auf intensivmedizinische Behandlung verzichten, gelten nicht als Organspender. Um ein Organspender zu sein, muss die Verfügung so formuliert sein, dass die Behandlung auf der Intensivstation zeitlich begrenzt ist. Wer noch alleine atmen kann, ist ebenfalls nach dem Gesetz kein potenzieller Organspender. Das setzt nämlich den Hirntod voraus und dessen Hirn tot ist, der kann auch nicht mehr atmen. Wer bei Organspende und Patientenverfügung alles richtig machen möchte, der sollte sich von einem Anwalt beraten lassen, der sich auf das Medizinrecht spezialisiert hat.
Spenden aus dem Ausland
Da sich die Bereitschaft zur Organspende auf einem historischen Tiefstand befindet, ist die Mehrzahl der Menschen, die ein neues Herz, eine Lunge oder eine Niere benötigen, auf Spenden aus dem Ausland angewiesen. 175 Organe mehr wurden laut einer Statistik von Eurotransplant aus EU-Ländern „importiert“, als Deutschland im gleichen Zeitraum in die EU abgegeben hat. Die Deutschen profitieren damit von der Spendebereitschaft der Menschen in Belgien, den Niederlanden, in Ungarn, Kroatien, Slowenien oder in Österreich. Insgesamt hat Eurotransplant von 3130 gespendeten Nieren 1347 nach Deutschland vermittelt. 548 Herzen sind im vergangenen Jahr zur Transplantation freigegeben worden, 250 davon gingen nach Deutschland.
Die Menschen sind verunsichert
Nur in Albanien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland gibt es noch weniger Organspender als in Deutschland. Das hat weniger etwas mit der schlechten Spendebereitschaft in diesen Ländern zu tun. Es ist einfach die fehlende medizinische Infrastruktur, die gebraucht wird, wenn es um eine erfolgreiche Transplantationsmedizin geht. Aktuell liegt die Zahl der Organspender in Deutschland zum ersten Mal unter einer Marke von zehn pro einer Million Einwohner. Laut Eurotransplant gilt diese Marke als ein Mindestmaß, wenn es um ein ernst zu nehmendes Organspendesystem geht. Noch immer haben viele Deutsche Vorbehalte gegen eine Organspende. Auch religiöse Gründe spielen nach wie vor eine Rolle, wenn es um eine mangelnde Bereitschaft zur Organspende geht.
Fazit
Organspenden können Menschenleben retten. Die Hornhaut im Auge kann Blinden helfen, wieder zu sehen. Ein neues Herz kann ein neues aktives Leben ermöglichen, eine neue Niere macht die Dialyse überflüssig und eine neue Lunge sorgt dafür, dass Menschen, die zum Beispiel an einer Fibrose erkrankt sind, wieder durchatmen können. Jeder kann in die Situation kommen, ein Organ zu benötigen, und jeder möchte dann, dass ein passendes Organ für ihn bereitsteht.
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